LkSG für Treasury von Fall zu Fall relevant

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) schafft in Deutschland den rechtlichen Rahmen, um den Schutz der Umwelt sowie der Menschen- und Kinderrechte entlang von Lieferketten zu verbessern. Der VDT hat mit Dr. Julia Sitter von White & Case LLP über den damit verbundenen Handlungsbedarf des Treasury gesprochen.

 

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz LkSG, ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Seitdem sind Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern dazu verpflichtet, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten innerhalb ihrer Lieferketten zu beachten. Anfang dieses Jahres wurde der Schwellenwert der betroffenen Unternehmen gesenkt, sodass seit 1. Januar 2024 Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern bereits dem LkSG unterliegen.

Wie der VDT erfahren hat, haben sich viele Unternehmen bereits frühzeitig mit dem LkSG und seinen Folgen beschäftigt. Das gilt auch für kleinere Unternehmen, die Zulieferer der vom LkSG adressierten Unternehmen sind. Inzwischen haben zahlreiche Unternehmen sowohl im eigenen Kundenverhältnis als auch aus ihrer Position als Zulieferer das Thema LkSG über Verhaltenskodizes implementiert. Entsprechende Klauseln in den Lieferverträgen sichern die Einhaltung der Sorgfaltspflichten ab. Zudem setzen Unternehmen sogenannte Weitergabeklauseln ein, um ihre direkten Zulieferer zu verpflichten, entsprechende Lieferkettensorgfaltspflichten mit ihren eigenen Zulieferern zu vereinbaren. Dabei ist festzustellen, dass die Firmen ihren Zulieferern keinesfalls den vollen Pflichtenkatalog des LkSG auferlegen – was ohnehin vom Gesetz nicht gefordert ist.

Innerhalb eines Unternehmens sind viele Bereiche involviert, um die Pflichten des LkSG zu erfüllen. Das VDT-Ressort Risk Management hat bei Dr. Julia Sitter, Partnerin, Rechtsanwältin und Notarin bei White & Case LLP in Frankfurt am Main, nachgefragt, welche Auswirkungen dieses Gesetz auf das Treasury von deutschen Unternehmen hat.

 

Frage: Frau Sitter, hat sich bei der Implementierung der Gesetzesanforderungen gezeigt, dass es eine Relevanz für das Treasury gibt?
Bei der Implementierung der Anforderungen des LkSG in den Unternehmen zeigte sich früh eine zentrale Relevanz für die Abteilungen Einkauf, Recht, Compliance und auch Personal. Eine grundsätzliche Relevanz für die Treasury-Abteilung haben wir in unserer Beratung bislang nicht feststellen können. Aber auch bei dem Thema LkSG läuft es auf die häufige Antwort hinaus: Es kommt darauf an. Mit Blick auf die Bedeutung des LkSG im Treasury und die Notwendigkeit des Treasurers, sich mit den Anforderungen und dem Reporting auseinanderzusetzen, wird ein unternehmensspezifischer Blick auf Details notwendig sein.

 

Welche Bank-, Finanz- und Finance-Dienstleistungen lassen sich als im Sinne des LkSG relevante und maßgebliche Services grundsätzlich vorstellen?
Die Lieferkette erfasst nach dem LkSG (neben den Produkten des Unternehmens) alle Dienstleistungen eines Unternehmens und umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind. Die zuständige Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), hat speziell zur Anwendung des LkSG auf die Kredit- und Versicherungswirtschaft eine Handreichung veröffentlicht. Danach ist für eine Zuordnung zur Lieferkette ausschlaggebend, ob ein Bestandteil oder eine Dienstleistung im fertigen Produkt eine Funktion erfüllt oder für den Herstellungsprozess eine Rolle spielt und dieser ohne diesen Bestandteil oder diese Dienstleistung nicht reibungslos funktionieren würde.

 

Welche Rolle spielt dabei das Geschäftsmodell eines Unternehmens?
Im Kern ist es unerheblich, welches Geschäftsmodell ein Unternehmen hat. Die Lieferkette kann somit auch Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen ebenso wie IT- oder Beratungsleistungen erfassen.

 

Mit Blick auf die Banken: Welche Bankdienstleistungen sind konkret vom LkSG betroffen?
Bankdienstleistungen meinen sowohl das regulatorische Kerngeschäft als auch sämtliche sonstige Dienstleistungen, die einzelne Kreditinstitute anbieten. Sie alle fallen unter den Dienstleistungsbegriff des LkSG. Dies umfasst die Kreditvergabe, den Zahlungsverkehr und die IT. Aber auch Produktentwicklung, Compliance, Risk und Audit sollen nach einer Literaturauffassung grundsätzlich eingeschlossen sein, wenn diese Bereiche Gegenstand regulatorischer Vorschriften sind. Für die Unternehmen, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen, kommt es wiederum auf die Bedeutung der jeweiligen Dienstleistung in der Lieferkette an. Das BAFA spricht insoweit von der Funktion bzw. Rolle der Dienstleistung im Herstellungsprozess und/oder fertigen Produkt.

 

Das LkSG umfasst also eine Menge an Dienstleistungen.
Richtig, das BAFA geht von einem weiten Begriffsverständnis aus, nimmt aber Einschränkungen bei der Organisation des Risikomanagements vor, nämlich bei der Frage, welche Risiken ein Unternehmen zuerst angehen muss. Grundsätzlich lässt sich festhalten: Der Dienstleistungsbegriff nach dem LkSG erfasst solche Handlungen nicht, die keinen spezifischen Bezug zur Dienstleistungserbringung haben. Dabei wird der spezifische Bezug einer Handlung zur Dienstleistung durchaus unterschiedlich bewertet: Laut BAFA-Handreichung können bereits die Beschaffung von Informations- und Kommunikationstechnik zur Ausstattung der Geschäftsräume ebenso wie die Inanspruchnahme notwendiger externer Dienstleistungen, etwa die Reinigung unternehmenseigener Büroflächen oder die Beauftragung von Marktforschungsunternehmen, zu der vom LkSG definierten Lieferkette gehören.

Dagegen sollen laut – insoweit nicht einheitlicher – Literatur der Ankauf von Büromaterialien und Handlungen von Abteilungen, die nur einen allgemeinen Beitrag leisten, wie Kantine, Facility Management und Sicherheitsdienst, keinen spezifischen Bezug zur Dienstleistungserbringung haben. Es wird bei der Beurteilung des spezifischen Bezugs zur Dienstleistung also regelmäßig auf eine Einzelfallbetrachtung hinauslaufen.

 

Was bedeutet das im Hinblick auf Bank- und Finanzdienstleistungen?
Konkret zu den Finanzdienstleistungen nennt das BAFA in seiner Handreichung folgende Beispiele: Bei Versicherungsunternehmen soll die Anlage von Vermögenswerten nicht Teil der Lieferkette sein, und auch Refinanzierungsgeschäfte werden grundsätzlich ausgeschlossen. Es sei denn, so stellt das BAFA klar, es besteht im Einzelfall eine konkret nachvollziehbare Zweckbindung zwischen dem Refinanzierungsgeschäft und der erbrachten Bankdienstleistung. Factoring- und Leasinggeschäfte zählen laut BAFA ebenfalls nicht dazu.

Und zuletzt – dies dürfte für das Treasury von besonderem Interesse sein – stellt die Geldversorgung, also die Leistung von Geld oder geldgleichen Zahlungsmitteln, keine Erbringung von Dienstleistungen und keine Zulieferung im Sinne des LkSG dar. Das BAFA begründet dies unter anderem damit, dass der Schwerpunkt eines solchen Vertrages üblicherweise die zeitlich begrenzte Überlassung von Geld an den Vertragspartner ist.

 

„Die Geldversorgung stellt keine Erbringung von Dienstleistungen und keine Zulieferung im Sinne des LkSG dar.“ (Dr. Julia Sitter, White & Case LLP)

 

Aber der Verkäufer des Leasinggegenstandes ist unmittelbarer Zulieferer gegenüber der Leasinggesellschaft oder dem Kreditinstitut und Bestandteil seiner Lieferkette, soweit es sich dabei um eine andere Person handelt.
Das ist richtig. Das BAFA hat dazu klargestellt: Die Vertragsbeziehung zwischen Leasinggesellschaft und Leasingnehmer ist kein Bestandteil der Lieferkette der Leasinggesellschaft. Dasselbe gilt für personenidentische Sale and lease back-Geschäfte, da der Verkäufer dabei zugleich der Kunde der Leasinggesellschaft bzw. des Kreditinstituts ist und der Schwerpunkt des Vorgangs die dadurch begründete Finanzierungsleistung ist. Dies betrifft auch den Bestelleintritt, in dem die Leasinggesellschaft in einen bereits zwischen dem Verkäufer und dem Käufer bzw. Leasingnehmer des zu finanzierenden Gegenstands geschlossenen Kaufvertrag eintritt.

 

Wie sieht es denn mit Hedging-Geschäften aus, die Unternehmen mit ihren Banken abschließen?
Swap-Vereinbarungen und anderweitige derivative Geschäfte im Zusammenhang mit (Re-)Finanzierungsgeschäften oder auf eigenständiger Grundlage, Termingeschäfte mit Bezug auf Waren, sofern sie durch Barausgleich zu erfüllen und typische Dienstleistungen von Zentralverwahrern, Transaktionsregistern oder Data Reporting Service Providern sind laut BAFA ebenfalls keine Produkte oder Dienstleistungen mit Relevanz für die Sorgfaltspflichten nach dem LkSG. Dies wird damit begründet, dass solche Hedging-Geschäfte im Allgemeinen keine für das LkSG typische Zulieferer-Hersteller-Beziehung begründen, sondern vielmehr ein gegenseitiges Finanzgeschäft darstellen.

 

Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Banken als Zulieferer im Sinne des LkSG gesehen werden?
Gemäß § 2 Abs. 7 und Abs. 8 LkSG ist eine Bank dann Zulieferer eines in den Adressatenkreis des LkSG fallenden Unternehmens, wenn sie Dienstleistungen erbringt, deren Zulieferungen für die Herstellung des Produktes oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung des Unternehmens notwendig sind. Wenn eine klare und nachvollziehbare Zweckbindung zwischen dem Finanzierungsgeschäft eines realwirtschaftlichen Unternehmens mit einem Kreditinstitut zu den Produkten oder Dienstleistungen des realwirtschaftlichen Unternehmens besteht, fallen diese Finanzierungsgeschäfte unter die Bestimmungen des LkSG.

 

Können Sie ein Beispiel nennen?
Gern. Wenn ein Unternehmen einen Kredit bei einer Bank aufnimmt, ist die Bank unmittelbarer Zulieferer des Unternehmens. Ein zweites Beispiel könnte wie folgt aussehen: Wenn ein Zulieferer einen Hersteller (in unserem Beispiel das nach dem LkSG verpflichtete Unternehmen) beliefert und dazu einen Finanzierungskredit für sein zu lieferndes Produkt aufnimmt, so ist auch der Kredit und die kreditgebende Bank von der Lieferkette umfasst. Die kreditgebende Bank ist hier mittelbarer Zulieferer des Herstellers, also des verpflichteten Unternehmens.

 

Zeigt sich in ausgewählten Geschäftsprozessen, -modellen oder Industrien eine besondere Rolle für die Betrachtung der Finanzpartner unter dem LkSG?
Es gelten die allgemeinen Grundsätze. Ist die Rolle des Finanzpartners für das Unternehmen bedeutend für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens und ist der Finanzpartner damit Teil der Lieferkette, dann treffen das Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 1 LkSG die Sorgfaltspflichten des LkSG gegenüber dem Finanzpartner.

 

Auf was ist global gesehen besonders zu achten?
Ein besonderes Augenmerk ist auf Finanzpartner in Staaten, die im Rahmen der Risikoanalyse als Risikoländer identifiziert worden sind, zum Beispiel weil Kinderarbeit oder Sklaverei vorkommt oder Arbeitsschutzregelungen missachtet werden, zu richten. Ist ein Finanzpartner mittelbarer Zulieferer, beispielsweise weil er einem unmittelbaren Zulieferer einen Kredit gewährt und der unmittelbare Zulieferer dadurch menschenrechtswidrige oder umweltgefährdende Geschäftspraktiken finanziert, dann treffen das Unternehmen gegenüber dem Finanzpartner die Sorgfaltspflichten des LkSG, wenn es substantiierte Kenntnis von den Rechtsverletzungen hat.

 

Können Sie eine Empfehlung geben, wie im Treasury mit den Themen umzugehen ist?
Als Teil eines nach dem LkSG verpflichteten Unternehmens hat das Treasury die Vorgaben des Unternehmens zur Erfüllung der Lieferkettensorgfaltspflichten zu befolgen. Dies umfasst insbesondere die Einhaltung der Verhaltensrichtlinien, aber auch die Mitwirkung an der Risikoanalyse, sofern dafür Daten aus dem Treasury beigesteuert werden müssen, und die Übermittlung von Informationen zwecks Erfüllung der Dokumentations- und Berichtspflichten.

 

„Als Teil eines nach dem LkSG verpflichteten Unternehmens hat das Treasury die Vorgaben des Unternehmens zur Erfüllung der Lieferkettensorgfaltspflichten zu befolgen.“ (Dr. Julia Sitter, White & Case LLP)

 

Was bedeutet das für die Anforderungen an Banken aus Sicht des Treasury?
Grundsätzlich gilt: Eine Bankdienstleistung ist dann Teil der Lieferkette eines Unternehmens, wenn die Dienstleistung im fertigen Produkt eine Funktion erfüllt oder für den Herstellungsprozess eine Rolle spielt und dieser ohne diese Dienstleistung nicht reibungslos funktionieren würde. Vor diesem Hintergrund können die Treasury-Abteilungen in den Vertragsbeziehungen mit Banken dazu beitragen, die Reporting-Daten in Bezug auf relevante Banken abzufragen und im Sinne des ganzheitlichen Risikomanagements der Pflichten aus dem LkSG für das eigene Unternehmen aufzubereiten. Damit wird es in solchen Fällen empfehlenswert sein, als Treasury Teil des fachübergreifenden Projektteams zu sein.

 

Die Fragen stellte das VDT-Ressort Risk Management.