Nachbericht zur VDT-Fachtagung der Ressorts Asset Management und Cash & Liquidity

Auf der Präsenzveranstaltung der beiden Ressorts Asset Management und Cash & Liquidity Mitte Juni gab es zahlreiche Impulse zu den Herausforderungen und Chancen von morgen. Der Fokus lag auf Zins und Inflation, künstlicher Intelligenz in der Liquiditätsplanung und digitalen Währungen im Treasury.

 

Paradigmenwechsel in der Kapitalanlage: Fokus auf Inflation und Zinsen

 

Gestiegene Inflation und gestiegene Zinsen sind das New Normal. Insbesondere die Inflation wird längerfristig ein Thema bleiben. Das ist eines der Ergebnisse der VDT-Fachtagung der beiden Ressorts Asset Management und Cash & Liquidity, die am 15. Juni 2023 in Frankfurt am Main stattgefunden hat. So hat sich der Reallohn trotz massiver Erhöhung der Tariflöhne mehrheitlich verschlechtert und die Lohn-Preis-Spirale dreht sich schneller. Hedging von Inflation kann durch einen nachfrageorientierten Markt teuer und aufwendig sein. Jedoch erhält man durch ein Absichern von Pensionsrisiken, wie der Inflation, eine gewisse Planungssicherheit für die Zukunft.

Die steigenden Inflationsraten haben zudem zu einer nie zuvor gesehenen Geschwindigkeit an Zinsanhebungen durch die Notenbanken geführt, so dass Refinanzierungen sich deutlich verteuert haben. Hinzu kommt, dass die Kreditvergabestandards restriktiver werden. Gestiegene Zinsen und restriktivere Kreditvergabe führen dazu, dass die Anzahl der Zombie-Unternehmen, also Unternehmen, bei denen der Zinsaufwand höher als der Umsatz ist, deutlich zunimmt. Erste Beispiele zeigten sich bereits bei den amerikanischen Regionalbanken. Erwartet wird eine länger anhaltende restriktive Geldpolitik.

Was diese neue Ära für Unternehmen bedeutet, wurde in zwei Paneldiskussionen am Vormittag der Fachtagung eruiert. Im Spannungsfeld zwischen kurzfristig verfügbarer Liquidität und langfristiger Kapitalanlage werden Ziele wie Sicherheit, Rendite und Liquidität unterschiedlich gewichtet. Die Jagd nach Rendite in der Niedrigzinsphase lässt die Investmentproduktepalette anwachsen. Auch wenn die Zinsen gestiegen sind, erschweren die hohen Inflationsraten den Werterhalt des Anlagevermögens. Für die operative Liquidität seien Termingelder, Direktanlage in Commercial Papers, Geldmarktfonds und inflationsgebundene Anleihen interessante Vehikel, so die Panel-Teilnehmer. Aber auch hier ist man von einer kurzfristigen Entwertung durch Inflation nur gefeit, wenn man entsprechende inflationsgeschützte Anlagen einsetzt. Hinzu kommt das Counterparty Risiko der Emittenten. Aufgrund der gestiegenen Zinsen ist mit einer entsprechenden Erhöhung der Defaults zu rechnen.

Es wurde konstatiert, dass das Pensionsmanagement von Unternehmen zu Unternehmen teils sehr unterschiedlich ist, weil jedes Unternehmen die für sich relevanten KPIs definiert und davon die entsprechende Strategie für sich ableitet. Es sei ratsam, dies mit einer gewissen Weitsicht zu tun, denn nach Meinung der Diskutanten wird aus heute langfristig morgen kurzfristig. Deshalb müssten Entscheidungen früh getroffen werden, da es irgendwann zu spät sein könnte, versäumte Entscheidungen nachzuholen.

Abgesehen von individuellen Anlagezielen spielt die Duration der Verpflichtungen bei der Wahl und Gewichtung der Anlageklassen eine große Rolle. So können einige Anleger ihre Investmentziele wieder mit Unternehmensanleihen erreichen und müssen nicht auf komplexe oder illiquide Anlageformen zurückgreifen. Andere Anleger nutzen die breite Palette an Anlagemöglichkeiten, um die Kosten langfristig zu senken.

Dieses Jahr wird die Anpassung der Betriebsrenten durch die Inflation ein großes Thema sein. Da die Anpassungen in der Regel nur alle drei Jahre kumuliert durchgeführt werden, ist der Erhöhungsfaktor für die jetzt anstehenden Rentenanpassungen schon bei 16 Prozent. Bis Ende dieses Jahres kann man mit über 20 Prozent Rentensteigerungen für den 3-Jahreszeitraum rechnen. In der Bilanzierung wird in der Regel aber nur mit einem langfristigen Mittelwert von etwa 2 Prozent gerechnet, also 6,12 Prozent über den 3-Jahreszeitraum. Das führt zu Überraschungen bei den Unternehmen. Mittelfristig stehen die Sterbetafeln wieder mehr im Fokus, da der Trend zur geringeren Sterblichkeit aufgrund der Pandemie seinen vorläufigen Höchstpunkt erreicht haben könnte.

 

Künstliche Intelligenz in der Liquiditätsplanung

 

Der Nachmittag der Fachtagung stand ganz im Zeichen von Cash- und Liquiditätsmanagement. Spätestens seit ChatGPT ist künstliche Intelligenz (KI) inmitten der Gesellschaft ein viel diskutiertes Thema. Auftakt des Nachmittags war ein Impulsvortrag eines animierten KI-Avatars, der einen Text aus ChatGPT zur künstlichen Intelligenz in der Liquiditätsplanung vorlas. Anschließend erörterten Vertreter des VDT-Arbeitskreises KI & Liquiditätsplanung in einer Panel-Diskussion die Fragen, ob KI auch im Treasury einen Mehrwert generieren kann und wenn ja, in welcher Art und Weise?

Fabian Waldow, Siemens Healthineers AG stellte in den Vordergrund, dass die KI in der Liquiditätsplanung durch eine intelligente Mustererkennung von grossen Datenmengen insbesondere für kurz- bis mittelfristige tagesaktuelle Prognosen einen Mehrwert liefern könne. Grundlegende Voraussetzung dafür sei jedoch die Gewährleistung einer sehr hohen Qualität und Transparenz der Basisdaten. Laut Jesko Rüdrich, BearingPoint, seien in vielen Unternehmen weiterhin zahlreiche Exceltabellen, die als Aggregat die Datenbasis bilden und monatlich zum Teil händisch aktualisiert werden, die Realität. Dadurch seien Analysen der Ist-Daten oftmals insuffizient und somit die Güte der Liquiditätsplanung fraglich.

Herr Rüdrich fügte hinzu, dass für eine seriöse Prognose der Faktor drei als Richtwert herangezogen werden könne. Für eine 1-Jahres-Prognose benötige man eine dreijährige Datenhistorie, die möglichst nicht von Sondereffekten geprägt ist. Prof. Dr. Andreas Uphaus, Hochschule Bielefeld zeigte als Alternative zu fehlenden oder mangelnden historischen Daten auf, das man beispielsweise auch eigene historische Daten simulieren oder antrainierte historischen Daten aus Unternehmen der gleichen Branche übernehmen könnte, sofern diese zur Verfügung stünden.

Als gemeinsamer Konsens konnte festgestellt werden, dass es neben der aufwendigen Basisarbeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Treasury, IT und Data Science bedarf und Mut, neue Wege zu gehen notwendig ist. Zudem sei das klare Committment des Top Managements und zusätzliche Investitionen in diesen Prozess unabdingbar.

Es ist zu erwarten, dass zukünftig immer mehr Unternehmen Anstrengungen in diese Richtung betreiben und somit auch der Austausch untereinander zu diesem noch relativ jungem Thema intensiviert wird. Die VDT-Arbeitsgruppe KI & Liquiditätsplanung wird die VDT-Community an ihren Erfahrungen teilhaben lassen.

 

Digitale Währungen im Treasury

 

Ein anderes aktuelles Thema ist der digitale Euro. Der VDT ist Mitglied der Digital Euro Rulebook Development Group (RDG), die von der EZB im Februar 2023 ins Leben gerufen wurde. Ziel der RDG ist es, ein Regelwerk für den digitalen Euro zu entwerfen. Der VDT vertritt hierbei nicht nur die Interessen seiner Mitglieder, sondern über eine Mirror Group die Interessen der europäischen Treasury-Community. Die Anwendungsfälle, die von der RDG betrachtet werden, sind von der EZB konkret vorgegeben: zunächst liegt der Fokus auf den Zahlungen zwischen natürlichen Personen, zwischen natürlichen Personen und Unternehmen sowie Zahlungen an und von Behörden. Regina Deisemann, die das Mandat des VDT in der EZB-Arbeitsgruppe hält, betont: „Auch wenn, die priorisierten Anwendungsfälle für Unternehmen nicht oder nur teilweise relevant sind, ist es wichtig frühzeitig auf die Gestaltung des digitalen Euros im Sinne der Treasurer eingebunden zu sein.“

Um die Teilaufgaben zum Entwurf des Regelwerks detailliert zu bearbeiten, setzt die EZB Unterarbeitsgruppen auf, deren Ergebnisse der RDG zur Bewertung vorgelegt werden. Anja Kamping, PPI AG und Mitglied des VDT Arbeitskreis Kryptowährung, berichtet aus der Unterarbeitsgruppe „Scheme Compatibility“, dass sich die Mitglieder dieses Workstreams in der ersten Phase bestehende Schemes, Standards und Spezifikationen am Markt angeschaut, potenzielle Synergien und damit verbundene Anforderungen für den digitalen Euro abgeleitet und bewertet haben, welche Standards für eine Digital Euro Scheme wiederverwendet werden können. „Als Ergebnis haben wir eine Shortlist mit den relevanten Standards und Spezifikationen erstellt und einen Entwurf des Digital Euro Scheme Rulebooks erarbeitet. Beides wurde der RDG vorgelegt“, sagt Anja Kamping. Um die identifizierten offenen Themen kümmert sich diese Untergruppe nun in Phase 2. Die Ergebnisse der RDG sollen im Oktober dieses Jahres präsentiert werden.

Welche Bedeutung und welchen Mehrwert digitale Währungen im Treasury haben können, beleuchteten in einer weiteren Paneldiskussion Vertreter des VDT-Arbeitskreises Kryptowährung. Gleich zu Beginn wurde klar, dass unter dem Begriff digitale Währung nicht nur die digitalen Fiat-Währungen, wie der digitale Euro zu verstehen sind, sondern beispielsweise auch Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether.

Bisher seien digitale Währungen meist noch kein Thema im Treasury. Doch durch das operative Business könne sich das ändern, berichten die Arbeitskreismitglieder. Beispielsweise, wenn die Entscheidung – sei es aus Strategie- oder Marketing-Gesichtspunkten – getroffen wird, einen Non-Fungible Token (NFT), also eine digitale Abbildung eines Vermögenswertes, zu verkaufen. Denn einerseits wird dann zum „minen“ von NFTs, dem Erstellen und Überprüfen von NFTs auf einer Blockchain, Kryptowährung benötigt, andererseits werden die verkauften NFTs mit Kryptowährung bezahlt, so dass dem Unternehmen Beträge in Kryptowährung zufließen und vom Unternehmen abfließen. Das Treasury werde damit vor die Herausforderung gestellt, dieses neue Themengebiet in die eigene Infrastruktur einzubauen und zu überlegen, wie damit beispielsweise in der Hedging-Strategie umgegangen werden kann.

Der Arbeitskreis beschäftigt sich aber nicht nur mit der operativen Gestaltung dieser „neuen“ Treasury-Prozesse, sondern legt den Fokus auch auf den Mehrwert den digitale Währungen über eine Funktionalisierung des Geldes für Unternehmen generieren können. Via Smart Contracts können beispielsweise Zahlungen automatisiert ausgelöst werden, was die Prozesse effizienter, schneller und kostengünstiger machen wird. Allerdings müssen hierfür noch einige regulatorische und datenschutzrechtliche Voraussetzungen und die internationale Vernetzbarkeit geschaffen werden.

 

Wir bedanken uns bei allen Mitwirkenden für die erfolgreiche Durchführung der Veranstaltungen sowie bei den Teilnehmenden für das positive Feedback.

 

Die Präsentationsunterlagen und der Event-Film zur Tagung stehen den VDT-Mitgliedern ab sofort in der Mediathek (Bibiothek / MediaCenter) zur Verfügung.